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Fundstücke eines Lebens, das am 27. Juli 1935 begann

Prof. Dr. Dieter Klemenz beschreibt sein Leben

Er lehrte fast 30 Jahre Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Kiel, bevor er vorzeitig in den Ruhestand ging.


Jeder kann danach streben, die bequeme Gleichgültigkeit oder das abgewandte Wegsehen, zu überwinden.

Das Buch ist Sonderdruck des Autors.

Computer haben keine Ideen. Hinter jedem Gedanken steht eine Person

Dieter Klemenz ist Praktiker in Sachen Bildung. Obwohl er zeitlebens Hamburger blieb, bildete er fast 30 Jahre lang Lehrer in Kiel aus . Sein Buch, das im Privatdruck erschienen ist, ist ein Bekenntnis für Lebensart im Norden. Weil die Pädagogische Hochschule Kiel nach Schließung des Bundeswehrstandortes Flensburg zum Ausgleich nach Flensburg verlegt wurde, ging Prof. Klemenz in den vorzeitigen Ruhestand. Als Hamburger wollte er nicht den täglichen, weiten Weg von Hamburg nach Flensburg auf sich nehmen.

Anleitung zum Schreiben einer Biographie

Ein Siebenjähriger schreibt 1943, drei Tage vor seinem 8. Geburtstag, nach der Nacht vom 24. auf den 25.07.1943, dem Feuersturm in Hamburg mit 30.000 Toten, an seinen Vater an der Front

Eine Freundin gab mir dieses Buch zu lesen

Es ist eine willkommene Anleitung für Menschen, die beabsichtigen ihre Biografie zu schreiben. Wo anfangen, wo enden? „Mach nicht den Fehler und leb’ zu lang“, sagt Erhard Kästner. Dieter Klemenz sagt: „Das Hangeln von Fundstück zu Fundstück ist wenig lesefreundlich, ich gestehe es ein. Ich gestehe auch ein, dass ich mir als Leser gelegentlich einen Urenkel vorgestellt habe, der in hundert Jahren seinen Großvater fragt (so wie ich es nicht konnte), was es mit der Familiengeschichte auf sich hat“.

„Ich frage mich, ob es von Vorteil oder ein Nachteil ist, dass man mit rückblickenden Schreiben mit späteren Entwicklungen im Zusammenhang zu stehen scheint … Es ist wohl die Fülle, die zu Auslassungen zwingt. Damit ist die Gefahr verbunden, dass der Biograph seinen Bericht schönt, angenehme Erinnerungen hervorhebt, peinliches eher verschweigt“. Intelligent ist die gedankliche Rückschau mit dem Ziel, Gewesenes positiv aufzubereiten und Neues, Besseres zu entwerfen allemal. So gesehen ist Biographie immer ein Stück Entwicklung und Zukunft. „Auch durch Auslassen und Vergessen kann man natürlich bestimmte Akzente setzen…“

Politiker, Eltern, Journalisten und Kolumnen-Schreiber scheinen Meister im Auslassen, Weglassen und Vergessen geworden zu sein. In dieser Biographie wird meisterlich geschildert, wie mit Engagement, Fleiß und mit allen Sinnen – auch mit Musik – Bildung erlangt und vermittelt werden kann. Zur Findung von Lösungen sind hier Erfolgsrezepte beschrieben. Neues, wie z. B. unsere Kinder, brauchen Pflege und Sorgfalt um sich zu entfalten. Wenn wir heute schon Kindern das Recht zugestehen öffentlich zu demonstrieren und zu protestieren, dann haben Eltern und Lehrer kläglich versagt.

Rückblickendes Schreiben ist wohl die Fülle

Mehr kluges, pädagogisches Handeln kann gelehrt und gelernt werden. Irgendwann, am Ende, müssen wir unseren Kindern die Welt überlassen. Dann aber haben sie auch die Reife dafür mühevoll erlangt. Falscher Einsatz von Medien wie Handy, Computer, Fernsehen und Presse tragen zu Missbildungen bei. Mitverantwortung für Entartung unserer Gesellschaft trägt jeder einzelne von uns. Jeder kann danach streben, die bequeme Gleichgültigkeit oder das abgewandte Wegsehen zu überwinden …

Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne

Steht der Hahn auf dem Mist, bleibt das Wetter wie es ist

Der Hahn ist König auf dem Hühnerhof und Schreihals. Auch die Henne weiß, dass morgens die Sonne aufgeht. “Deshalb muss sie aber nicht schon früh am Morgen krähen”, sagt Julia Klöckner, Bundessministerin für Ernährung und Landwirtshaft

Als die meisten von uns jung waren, gab es keine Computerspiele. So waren wir genötigt, uns selbst Spiele auszudenken. Das erdachte Spiel heißt: „Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne“.

Wie wird aus der Henne ein Hahn?

Jedes Kind kennt den Hahn, die Henne und das Ei. In Gesellschaft und Kindheit spielt das Gefüge um den Wert der Dinge eine treibende Rolle. Deshalb hatten wir uns dieses Fragespiel zum Training und zur Weiterbildung ausgedacht. So gilt es z. B. eine Antwort zu finden auf Fragen wie: “Was war zuerst, der Hahn, die Henne oder das Ei”?

Rhodeländer Hahn

Seine bunten Federn reichen von schwarz-rot bis nach Gold, mit viel Braun. Wenn er aufgeregt ist, steht er in seinem Hühnerhof kerzengerade da, mehr hoch als breit. Am Kopf wächst ihm ein steifer, feuerroter Kamm. Bis zum Hals stäuben sich seine Brustfedern. Sein Schwanz biegt er zum hinteren Abschluss, schöner als ein Regenbogen sein kann, ansehnlich und ausladend in die Welt. Ein festlicher, menschlicher Frack mit seinen zwei schlaff herunterhängenden schwarzen Lefzen, kann nicht schöner sein.

Sein Haupt dreht der Hahn in alle Richtungen und überblickt aufmerksam seinen Bestand an Hennen. Gelegentlich bestätigt er stimmengewaltig, laut und deutlich, mit seinem langgezogenen Kampfruf „Ki-Ke-Ri-Ki“, seine Kompetenz. Sollte ein Junghahn in der Nähe sein, antwortet der mit einem elenden, schaurigen Krächzen. Mit Jungmännern haben Junghähne den Stimmbruch gemeinsam. Einen Nebenbuhler duldet der Hahn in seinem Hühnergehege nicht.

Manchmal schreitet der Hahn, wenn er mit dem Picken aufgehört hat, senkrecht mit hochaufgerichtetem rotem Kamm, durch sein Gelände. Unauffällig nähert er sich einer Henne und streift ganz nebensächlich mit seinem Gefieder das Kleid der Henne. Wenn diese den Druck erwidert, springt der Hahn kurz auf die Henne, schüttelt sich kurz, und steigt unauffällig wieder ab. Alle Aufregung fällt von ihm ab. Als wäre nichts geschehen, entfernt er sich und pickt sein Futter. Noch nicht erforscht ist, ob der Hahn eine Henne bevorzugt.

Nun ist die Henne betroffen

Sie sucht sich ein stilles Plätzchen, ihr Nest. Dort setzt sie sich bequem zum Ausruhen hinein. Nach einer Weile, gerät sie in Unruhe und Panik. Sie drückt unter lautem Schmerzensgeschrei ein Ei heraus. Ihr Schrei erfüllt den ganzen Hühnerhof. Er klingt etwa so: „Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne!“. Wenn sie ausreichend geschrien und ein Ei gelegt hat, kehrt sie auf den Hühnerhof zurück.

Ein- bis zweimal im Jahr wird eine “Henne brütig”. Noch nicht erforscht ist, warum eine Henne plötzlich auf Eiern sitzen bleibt. Dies geschieht, wenn genügend Eier im Nest sind. Die Henne beginnt zu brüten. Ihre rollenden Glucklaute verraten, dass sie nicht gestört werden will. Nach vielen Tagen sind die Eier ausgebrütet und die Küken geschlüpft. Nun wird die Henne Glucke. genannt. Anschließend kümmert sich die Glucke um Aufzucht der Küken. In dieser Zeit beachtet die Henne den Hahn nicht. Zur Abschreckung des Hahnes ruft sie mit “Gluck, Gluck” ihre Küken zusammen, weshalb sie nun Glucke heist, bis die Küken groß sind. Es ist nicht bekannt, ob der Hahn einzelne Hennen bevorzugt.

Nachdem wir nun wissen, wie es auf einem Hühnerhof zugeht (man beachte das Wort Hühnerhof, er heißt nicht etwa Hahnenhof), können wir mit unserem Fragespiel beginnen: Ein Spieler denkt sich eine Frage aus. Er teilt sie den versammelten Spielern mit. Nach Bedenkzeit folgt mit lautem Ruf der Startschuss: „Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne“. Die Antworten werden geprüft. Wer als Erstes die beste und richtige Antwort weiß, ist Sieger und bekommt den Punkt.

  • Es ist ein Ding.
  • Wie ein Pfifferling.
  • Kann geh’n, kann steh’n,
  • Kann auf dem Kopf nach Hause geh’n …

Pfifferling

Unter Gender wurde bekannt

Frauen werden durch den Ausruf: “Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne”, derartig abgelenkt, irritiert und beunruhigt, dass sie zu einer vernünftigen Aussage nicht mehr fähig sind. Bei diesem Spiel unterliegen sie regelmäßig der männlichen Dominanz. Untersuchungen haben bestätigt, dass der Ausruf: „Der Hahn, der Hahn …“ das weibliche Geschlecht aufregt, diskriminiert und verunsichert. Besonders Frauen sind negativ betroffen. Die Gleichstellungs-Beauftragte der Bundesregierung wird deshalb gebeten, für Parität zu sorgen unter Einführung von Grenzwerten (höchstens ein Mann in der Spielgruppe), einen Gesetzentwurf zur Anpassung einzubringen.

KommentarIch kenne das als “Spiel”, um jemanden zu ärgern. A: “Sag mal: Der Hahn, der Hahn, und nicht die Henne!” B: “Der Hahn, der Hahn und nicht die Henne”. A: “Falsch, du sollst sagen: Der Hahn der Hahn und nicht die Henne”. B: sag ich doch:…”
Und so wiederholt sich das, bis B endlich merkt, dass er nur “Der Hahn, der Hahn” sagen soll (und eben _nicht_ “die Henne”).

Der wunderbare Glaube an Technik und Geld schafft neue Welten

DER NACHBAR aus Ellerau feiert seinen dritten Geburtstag am 22. Dez 2019. Ein Wort zum neuen Jahr 2020

Besucher und Seitenaufrufe, Stand 28. Mai 2020

Fortschritt macht Menschen. Oder, was machen Menschen mit ihrem Fortsschritt

Heute überlebt, wer Besseres annimmt und Neues bietet. Evolution funktioniert so: Wer sich anpasst hat gute Chancen. Irrtum ist im Experiment eingeschlossen. Freiwillig einsam sein, Eremit sein, bringt nichts? Visionäre und Erfinder sind einsam und frei. Sie tragen ein hohes Risiko.

Der moderne Mensch kann seine Anliegen mit mehr Technik und Bürokratie immer besser, eindringlicher und schneller erledigen. Als gemeindlich aufgestelltes Wesen ist der Mensch orientiert, organisiert und lebt nicht allein. Selbst einfache Ziele lassen sich heute nur noch mit technischer und bürokratischer Zustimmung verwirklichen. Wo ist meine Freiheit geblieben? Beispiel: Umfragen, Initiativen, Parteien und Politik entscheiden, ob und wodurch ich bedroht bin! Wie werde ich informiert? Welche Methode steckt dahinter?

Mit neuen Entwicklungen werden Räume zwischen Menschen nicht kleiner, sondern größer. Dies gilt für nahezu alle Bereiche, wie Bildung, soziales Miteinander, für Ab- und Ausgrenzungen bei Geld, Religion, Nationalität und besonders in Politik. Bei Arm und Reich geht die Schere weiter auseinander. Bei räumlichen Annäherung durch bessere Verkehrswege lassen sich soziale und kulturelle Differenzen immer weniger überwinden. Was eine Million Menschen interessiert, kann dem NACHBAR nicht gleichgültig sein. Mehr Wachstum mit enger werdenden Lebensräumen tragen zur Übervölkerung bei. Angebliche Umweltprobleme werden systematisch erfasst und vorgeführt.

Weiterentwicklung

Jede digitale Weiterentwicklung scheint perfektes Spielzeug zu sein. Ausgefeilte, immer bessere Werkzeuge entfernen die Menschen weiter voneinander, statt sie zu verbinden. Bald entsteht das Gefühl ausgegrenzt zu sein.

DER NACHBAR beschäftigt sich mit digitalen Hintergründen. Jeder Besucher liest auf diesem Blogg im Durchschnitt drei bis vier Seiten. Herauszufinden ist, wie Kommunikation mit den neuen Möglichkeiten des Internets verbessert werden kann. Dem Einzelnen ist es gegeben, weitgehend kostenfrei Nachrichten zu verbreiten. Dabei ersetzt er Presse. Jeder, besonders Führungskröfte sollten das können. Nur sind die meisten Menschen mit den Techniken noch nicht ausreichend eingeübt. Bildung, Ausbildung ist in allen Schichten gefragt.

Es ist zu befürchten, dass Meinungsfreiheit durch Gesetze eingeschränkt wird. Meinung muss von wirtschaftlichen Interessen frei bleiben. Meinung im Internet zu teilen muss auf gesetzlicher Basis dringend neu geregelt werden. Im Europaparlament werden Regelungen heiß diskutiert.

Die Top-10 Länder Jan 2019

Einmischung wächst mit Abhängigkeit mit jeder neuen Idee. Ist Freiheit ein Zustand, der nicht zurück geholt werden kann? Microsoft hat seit 1990 mit Windows 3.11 Schulen, Familien, Kindezimmer vernetzt. Mit Windows 95 war dies endgültig entschieden. Es entstand das Internet. Europäische Forschungszentren, wie DESY in Hamburg, Forschungszentrum Jülich, Forschungszentrum Karlsruhe und Forschungszentrum Cern arbeiten daran mit hoher Priorität daran.  Was ist daraus geworden? Von Beginn an startete Rolf Schröder seine privaten und geschäftlichen Seiten. Mit Bildungsveranstaltungen versuchen wir Aufklärung zu betreiben. Es war sehr reizvoll, Weihnachten 2016 eine politische Seite, DER NACHBAR, unserer Sammlung hinzuzufügen.

Heute kommt niemand am Netz vorbei. Schon Kleinkinder werden mit dem Handy abgefertigt. Wir alle, jeder Einzelne muss lernen, damit sinnvoll umzugehen. Der Glaube, es wird schon gut gehen reicht nicht. Es wird dem Menschen nicht mehr möglich sein sich frei zu entwickeln. Einsiedelei ist kein Weg.

Inhalte im Internet entsprechen dem IQ bei den Anwendern. Für jeden Geschmack und Horizont gibt es etwas. Führungskräfte, besonders die erfolgreichen, haben bis heute nicht gelernt mit dem Netz umzugehen. Sie überlassen das ihren Angestellten. Für Millionen und Milliarden verlassen sie sich auf Unternehmensberater und Softwarehäuser mit ihren komplizierten, automatischen Lösungen. Betriebliche Software kann zum Jahresbeginn das Jahresendergebnis, wie gewünscht berechnen! Jeder kann erkennen, dass Microsoft oder Apple Computer mit seinen Office-Systemen jedem einzelnen Anwender das Leistungsvermögen eines Großrechners für ein paar Euro in die Hand vermittelt hat.

Es ergibt sich aus der Betrachtung von gesellschaftlichen Zuständen über acht Jahre hinweg ein Sittenbild über politische Kultur in unserem Ort, Kreis und im Land. Beteiligen Sie sich mit eigenen Beiträgen auch über Facebook oder senden Sie mehr Kommentare. Unseren Lesern und Betrachtern in aller Welt danken wir für ihre Treue. Solange es Spaß macht, werde ich weiter machen.

>Das Leben wird vorwärts gelebt, aber rückwärts verstanden.< (Søren Kierkegaard)

Musik in Worte gefasst

Hanno spielt Klavier (aus Buddenbrook, eine Familiensaga von Thomas Mann)

Es war ein ganz einfaches Motiv,

das er sich vorführte, ein Nichts, das Bruchstück einer nicht vorhandenen Melodie, eine Figur von anderthalb Takten, und als er sie zum ersten mal mit einer Kraft, die man ihm nicht zugetraut hätte, in tiefer Lage als einzelne Stimme ertönen ließ, wie als sollte sie von Posaunen einstimmig und befehlshaberisch als Urstoff und Ausgang alles Kommenden verkündet werden, war gar nicht abzusehen, was eigentlich gemeint sei. Als er sie aber im Diskant, in einer Klangfarbe von mattem Silber, harmonisiert wiederholte, erwies sich, dass sie im wesentlichen aus einer einzigen Auflösung bestand, einem sehnsüchtigen und schmerzlichen Hinsinken von einer Tonart in die andere – eine kurzatmige, armselige Erfindung, der aber durch die präzise und feierliche Entschiedenheit, mit der sie hingestellt und vorgebracht wurde, ein seltsamer, geheimnis- und bedeutungsvoller Wert verschafft ward.

Und nun begannen bewegte Gänge,

ein rastloses Kommen und Gehen von Synkopen, suchend, irrend und von Aufschreien zerrissen, wie als sei eine Seele voll Unruhe über das, was sie vernommen, und was doch nicht verstummen wollte, sondern in immer anderen Harmonien, fragend, klagend, er­sterbend, verlangend, verheißungsvoll sich wiederholend. Und immer heftiger wurden die Synkopen, ratlos umher gedrängt von hastigen Triolen; die Schreie der Furcht jedoch, die hinein klangen, nahmen Gestalt an. Sie schlossen sich zusammen, sie wurden zur Melodie, und der Augenblick kam, da sie wie ein inbrünstig und flehentlich hervortretender Gesang des Bläserchors stark und demütig zur Herrschaft gelangten. Das haltlos Drängende, das Wogende, Irrende und Entgleitende war verstummt und besiegt, und in unbeirrbar einfachem Rhythmus erschall dieser zerknirschte und kindisch betende Choral – Mit einer Art von Kirchenschluss endete er.

Eine Fermate kam, und eine Stille

Und siehe, plötzlich war, ganz leise, in einer Klangfarbe von mattem Silber, das erste Motiv wieder da, diese armselige Erfindung, diese dumme oder geheimnisvolle Figur, dieses süße, schmerzliche Hinsinken von einer Tonart in die andere. Da entstand ein ungeheurer Aufruhr und wild erregte Geschäftigkeit, beherrscht von fanfarenartigen Akzenten, Ausdrücken einer wilden Entschlossenheit. Was geschah? Was war in Vorbereitung? Es scholl wie Hörner, die zum Aufbruch riefen. Und dann trat etwas ein wie Sammlung und Konzentra­tion, festere Rhythmen fügten sich zusammen, und eine neue Figur setzte ein, eine kecke Improvisation, eine Art Jagdlied, unternehmend und stürmisch. Aber es war nicht fröhlich, es war im Innersten voll verzweifelten Übermuts, die Signale, die darein tönten, waren gleich Angstrufen, und immer wieder war zwischen allem, in verzerrten und bizarren Harmonien, quälend, irrselig und süß, das Motiv, jenes erste rätselhafte Motiv zu vernehmen. . .

Und dann begann ein unaufhaltsamer Wechsel von Begebenheiten,

deren Sinn und Wesen nicht zu erraten war, eine Flucht von Abenteuern des Klanges, des Rhythmus und der Harmonie, über die Hanno nicht Herr war, sondern die sich unter seinen arbeitenden Fingern gestalteten, und die er erlebte, ohne sie vorher zu kennen. – Er saß, ein wenig über die Tasten gebeugt, mit getrennten Lippen und fernem, tiefem Blick, und sein braunes Haar bedeckte in weichen Locken seine Schläfen.

Was geschah?  Was wurde erlebt?

Wurden hier furchtbare Hindernisse bewältigt, Drachen getötet, Felsen erklommen, Ströme durchschwommen, Flammen durchschritten? Und wie ein gellendes Lachen oder wie eine unbegreiflich selige Verheißung schlang sich das erste Motiv hindurch, dies nichtige Gebilde, dies Hinsinken von einer Tonart in die andere – ja, es war, als reize es auf zu immer neuen, gewaltsamen Anstrengungen, rasende Anläufe in Oktaven folgten, die in Schreie ausklangen, und dann begann ein Aufschwellen, eine langsame, unaufhaltsame Steigerung, ein chromatisches Aufwärtsringen von wilder, unwiderstehlicher Sehnsucht, jäh unterbrochen durch plötzliche, erschreckende und aufstachelnde Pianissimo, die wie ein Weggleiten des Bodens unter den Füßen und wie ein Versinken in Begierde waren. –

Einmal war es,

als ob fern und leise mahnend die ersten Akkorde des flehenden, zerknirschten Gebetes vernehmbar werden wollten; alsbald aber stürzte die Flut der empor drängenden Kakophonien darüber her, die sich zusammenballten, sich vorwärts wälzten, zurückwichen, aufwärts klommen, versanken und wieder einem unaussprechlichen Ziele entgegen rangen, das kommen musste, nun kommen musste, in diesem Augenblick, an diesem furchtbaren Höhepunkt, da die lechzende Drangsal zur Unerträglichkeit geworden war…

Und es kam, es war nicht mehr aufzuhalten,

die Krämpfe der Sehnsucht hätten nicht mehr verlängert werden können, es kam, gleichwie wenn ein Vorhang zerrisse, Tore aufsprängen, Dornenhecken sich erschlössen, Flammenmauern in sich zusammensänken. . . Die Lösung, die Auflösung, die Erfüllung, die vollkommene Befriedigung brach herein, und mit entzücktem Aufjauchzen entwirrte sich alles zu einem Wohlklang, der in süßem und sehnsüchtigem Ritardando sogleich in einen anderen hinüber sank … es war das Motiv, das erste Motiv, was erklang! Und was nun begann, war ein Fest, ein Triumph, eine zügellose Orgie eben dieser Figur, die in allen Klangschattierungen prahlte, sich durch alle Oktaven ergoss, aufweinend im Tremolando verzitterte, sang, jubelte, schluchzte, angetan mit allem brausenden, klingenden, perlenden, schäumenden Prunk der orchestralen Ausstattung sieghaft daherkam. ..

Es lag etwas Brutales und Stumpfsinniges

und zugleich etwas asketisch Religiöses, etwas wie Glaube und Selbstaufgabe in dem fanatischen Kultus dieses Nichts, dieses Stücks Melodie, dieser kurzen, kindischen, harmonischen Erfindung von anderthalb Takten… etwas Lasterhaftes in der Maßlosigkeit und Unersättlichkeit, mit der sie genossen und ausgebeutet wurde, und etwas zynisch Verzweifeltes, etwas wie Wille zu Wonne und Untergang in der Gier, mit der die letzte Süßigkeit aus ihr gesogen wurde, bis zur Erschöpfung, bis zum Ekel und Überdruss, bis endlich, endlich in Ermattung nach allen Ausschweifungen ein langes, leises Arpeggio in Moll hineinrieselte, um einen Ton emporstieg, sich in Dur auflöste und mit einem wehmütigen Zögern erstarb. ­

Hanno saß noch einen Augenblick still,

das Kinn auf der Brust, die Hände im Schoß. Dann stand er auf und schloss den Flügel. Er war sehr blass, in seinen Knien war gar keine Kraft, und seine Augen brannten. Er ging ins Nebenzimmer, streckte sich auf der Chaiselongue aus und blieb so lange Zeit, ohne ein Glied zu rühren.

Siehe auch zerbrochene Glocken und Danziger Blechtrommel in Lübeck– aktualisiert 13.04.2012